„Jedermann in die Maske!“ – 100 + 1 Jahre Salzburger Festspiele

by Angelika Mandler-Saul

„HIER müsste man den Jedermann spielen“, sagte Max Reinhardt im Frühling 1920 bei einem Spaziergang über den Salzburger Domplatz. Gesagt, getan – es wäre sonst nicht Reinhardt gewesen. Und jetzt ist er 100, der Jedermann.

Kunstaktion
Kunstaktion zum Jubiläum: 100 Jahre Jedermann

Für Jedermann: Die schönste Theater-Notlösung der Welt – der Salzburger Domplatz

Nur ein paar Monate später gab man bereits den ersten „Jedermann“ der neu gegründeten Salzburger Festspiele 1920 direkt vor dem Dom: Die schönste Theater-Notlösung der Welt wird 100+1 Jahre alt. Denn es war zunächst wirklich nichts anderes als eine Notlösung. Jedoch eine mit dem Segen des Erzbischofs; erdacht und geplant, auf die Bretter gebracht und inszeniert von DEM Theatermann, der vor 100 Jahren die Theaterlandschaft in Deutschland und Österreich wahrlich beherrschte, Max Reinhardt.  Das geplante „Theater spielen“ vor den heiligen Hallen im gläubigen Salzburg, das kam zwar nicht bei allen gut an, aber eigentlich hatte man andere Probleme im Frühling 1920 in Salzburg und dem kleinen übriggebliebenen Rest von Österreich: Hungersnot, keine Baumittel, keine Arbeit, Europa in Trümmern, die alte Ordnung mit der Donaumonarchie ebenso und zu allem Überfluss hatte man gerade erst die weltweite Spanische Grippe, eine Pandemie in drei Wellen, überstanden.

Domplatz Jedermann
Die Zuschauertribünen am Domplatz – vom Dommuseum aus gesehen

Im Jubiläumsjahr 2020 hieß es: „Jedermann in die Maske!“ und meinte damit nicht nur Tobias Moretti als Darsteller des Jedermann – sondern Jedermann und Jederfrau in der riesigen Maschinerie hinter den Kulissen der Salzburger Festpiele (TIPP: FÜHRUNG mitmachen), auf der Bühne, in der Technik, der Maske, bei den Bühnenbildnern und bei den Kostümen oder im Zuschauerbereich:

Jedermann Plakat in der Altstadt
Jedermann in der Altstadt

Die Salzburger Festspiele in Zeiten von Corona wurden zu einer großen Herausforderung. Aber es hat geklappt. Wie es auch 1920 geklappt hat.

-Theater trotz Pandemie – 1920 ebenso wie 2020 und 2021

Auch 1920 hatte man gerade erst die weltweite Spanische Grippe überstanden: Ein Influenza-Virus, eine Pandemie, die über die Welt von 1918-1920 in drei Wellen (!) geschwappt war (Wieviele Tote es damals gab, googelt Ihr lieber selbst – zu deprimierend). Im Jubiläumsjahr 2020 sahen sich die Salzburger Festspiele einem ähnlich Angst einflößenden Szenario gegenüber. Festspielpräsidentin Helga Rabl Stadler hat als eine der wenigen die Nerven bis zuletzt bewahrt, die Festspiele nicht prophylaktisch abgesagt und monatelang während des Lockdowns positiven Optimismus versprüht. Und sie versprüht immer noch: Auch im Juli 2021 nach einem Corona-Fall in der Zuschauerschaft der Premiere.

In der verlängerten Landesausstellung im Salzburg Museum sieht man zu allererst: Einen roten Teppich und die Holzbühne des ersten Jedermann 1920, einem Publikumsliebling von einst – Alexander Moissi, seine Buhlschaft gab mehrmals seine Frau, Johanna Terwin. Das Holz für diese einfache Bühne herbeizuschaffen, schon das war 1920 ein Kraftakt – Holz war nach dem Krieg Mangelware. Ebenso Sesseln für die Zuschauer. Tonnen von Mehl wurde für die hungernden Salzburger während dieser Zeit in die Stadt gekarrt, um etwaigen Unruhen vorzubeugen: Denn verständlicher Weise wollte man in der Stadt keine Besucher, die einem die ohnehin kärglichen Rationen noch wegschnappten.

Jedermann Bühne Ausstellung salzburg museum
Die orginale Jedermann Bühne, nachgebaut nach Plänen von 1920

Die ersten Besucher beim ersten Jedermann: Salzburger, Wiener, Bayern. Ein gerührter Salzburger Erzbischof, ein bewegter Max Reinhardt, eine aufeinander eingespielte Schauspielerriege, die das Mysterienspiel um den Jedermann bereits in Berlin und den USA – dort jedoch mit mäßigem Erfolg – gespielt hatten.

Damals wie heute ging es bei der Premiere des aller-allerersten Jedermann auch um eins: Das Wetter.

„Nach einem trüben Tage überwölbte ein klare Himmel die Stadt“

– so schreibt die „Neue Freie Presse“ über den Premierenfrühabend. Die Sonderberichterstatter der „Neuen Freien Presse“ und des „Neuen Wiener Tagblatts“ zeigen sich wortreich beeindruckt von der Location, dem Reinhardt Ensemble, dem Spiel. Kirchenglocken, Jedermann-Rufe und die Tauben, die im richtigen Moment auffliegen – alles scheint perfekt inszeniert zu sein – bei Reinhardt gibt es halt keine Zufälle.

Die „Neue Freie Presse“ kabelt nach der Premiere 1920 im Nachttelegramm nach Wien:

Ein erlesenes Publikum folgte ergriffen dem Bühnenvorgang, unterdrückte jedoch mit Rücksicht auf die fast gottesdienstliche Stimmung, die über der Inszenierung schwebte und sich den Zuschauern mitteilte, den am Schluss aufquellenden Beifall. Reinhardt, der kaum jemals einen größeren Erfolg zu verzeichnen hatte, wurde gepriesen, aber nicht gerufen.

Und auch das „Neue Wiener Tagblatt“ weiß am 23.8. dann in der Tagesausgabe zu berichten:

Die Weihe des Ortes verbot profanen Applaus. Voll des Geschauten und Gehörten verließ das Publikum in tiefer Ergriffenheit langsam und still den Domplatz, über den sich alsbald die Schatten des Abends herabsenkten!

Während man heute nach dem Jedermann was trinken geht (wenn´s etwa wieder so heiß wird wie 2018 beim „Bikram-Jedermann“), waren vor 100 Jahren also noch Schweigen und Ergriffenheit angesagt.

Das Jahrhundert Jubiläum: Rund um den Jedermann 2020

Heutzutage ist man nicht mehr so ergriffen vom Mysteriumspiel rund um das Sterben des Reichen Mannes, eher wird man nach Luft schnappen – wegen der Masken-Pflicht im heurigen Jahr. Mit einem ausgeklügelten Präventions- und Sicherheitskonzept haben die Festspiele heuer unter großem zeitlichen Druck mit vielen Auflagen ein verkürztes Programm von 1. – 31. August 2020 konzipiert. Dabei gab es erstmals eine Frau als Dirigentin und musikalische Leiterin der Wiener Philharmoniker bei „Cosi fan tutte“, eine „Everywoman“ in der Szene Salzburg und den Liebling der Opernfreunde der Festspiele 2018, Asmik Gregorian in „Elektra“. Auch 2021 hat man Höhepunkte zu bieten, selbstredend.

Programme Salzburger Festspiele
Das erste und das letzte Programm der Salzburger Festspiele 2020

-Das Sicherheitskonzept für Jedermann und Jedefrau

In der Saison 2020 mussten nicht nur die Schauspieler „in die Maske“, sondern wir alle trugen Maske. Beim Sitzen durfte man sie abnehmen, aber ansonsten während der Salzburger Festspiele: „Bitte alle in die Maske!“ Champagnerbuffets, Pausenbrötchen und Rumhängen in Foyers und an Sektständen fielen 2020 aus.

Den Jedermann gab man 2020 übrigens in Summe für 1180 Gäste anstatt wie geplant für 2400 – man und ich saßen im Schachbrettmuster am Domplatz. Nach der Premiere 2021 (alle Sitze dürfen verkauft werden) gab es einen Coronafall in der Premiere Zuschauerschaft – Fazit: Bitte wieder alle in die Maske.

Siemens Festspielnächte Jedermann
Aufbau für die Siemens Festspielnächte: Heuer ebenfalls nur mit Online Registrierung.

-Buhlschaft und Kleid, Tod und Teufel

Tobias Moretti war zum vierten und letzten Mal der Jedermann (familienintern liefen bei uns schnell die Wetten für den Nächsten: Auf Lars Eidinger hatten wir nicht getippt). 2018 war er lungenentzündungsbedingt für einige Vorstellungen ausgefallen (ich war dabei!), in einer legendären NachtundNebel Aktion lernte Philipp Hochmair damals in 30 Stunden den Text, vermischte ihn ein wenig mit seinem eigenen „Jedermann Reloaded“ und war ab sofort DER Salzburger Held der Saison 2018.

Die Burgtheater Schauspielerin Caroline Peters (die in TV Komödien auch sehr witzig sein kann), war einmalig die allerneueste Buhlschaft und man hatte durchaus den Eindruck, dass sie sich wirklich darüber freute, als sie aus der Torte tänzelte. Die Inszenierung 2021 setzt noch einiges drauf, nicht nur Slapstick, sondern wieder eine neue Buhlschaft, Verena Altenberger – ebenfalls hochmotiviert, weil Salzburgerin und: Lars Eidinger!

Ich persönlich war ein Fan von Stefanie Reinsperger als Buhlschaft (kongenial mit Hochmair) sowie Brigitte Hobmeier am Fahrradl und dem Duo Ofczarek/Minichmayr, letztere eine sehr hochkarätige Besetzung. 

Wenn´s wer wissen will: Ich habe alle Jedermänner seit Brandauer 1983 gesehen. Brandauer, Lohner, Voss, Tukur, Simonischek, Ofczarek, Obonya, Moretti. Nur der Hochmair, der ist mir durch die Lappen gegangen – sehr, sehr knapp. Und 2021 freute ich mich unbändig auf Lars Eidinger.

Update 2023: Ich habe Michael Maertens und die neue Sturminger-Klima-Inszenierung gesehen.

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So sieht der Jedermann von der Zuschauertribüne aus aus. 17 Uhr Vorstellung und beim Vorhang nah 90 Minuten immer noch #BikramJedermann im Jahr 2018

Die Landesausstellung 2020/21: „Großes Welttheater“ in Salzburg

Wie gesagt, der Salzburger Domplatz als Location für den Jedermann, der war zunächst nur eine Notlösung. Die anderen Festspielhauspläne hatten nicht geklappt. Nach den Verhandlungen um einen Platz in Hellbrunn war Reinhardt sogar nach der festlichen Unterschrift heimgegangen und soll – typisch österreichisch – so etwa gesagt haben: „Das wird nichts“, er hatte Recht.  Die Modelle der niemals gebauten Festspielhäuser sieht man in der neuen Landesausstellung im Museum Salzburg  teilweise richtig Furcht einflößende Monumentalbauten. Heute ist man froh, dass der Festspielbezirk – anders als etwa in Bayreuth – mitten in der City liegt.

Jedermann Geplante Festspielhäuser
Geplante Festspielhäuser

In der Ausstellung des Salzburg Museums kann ich mich gleich eingangs wie ein Zuschauer von 1920 fühlen – vor dem Entrée wurde die einfache Holzkonstruktion der Bühne von damals nachgebaut (nach Originalplänen, die man im Kaufmännischen Archiv der Festspiele gefunden hatte) und in der Säulenhalle bin ich auf einem weißen Holzsessel fast direkt im Geschehen von anno 1920.

JEdermann 1929
So sah es am Domplatz 1920 aus

-Meine Highlights der Landesausstellung Salzburg Museum

  • In der Max Gandolph Bibliothek spaziert man durch 100 Jahre Festspielgeschichte mit 100 Erinnerungsstücken aus dem Archiv, von Reinhardts original Skizzenbuch bis Netrebkos rotem Kleid aus ihrer fulminanten „La Traviata“ mit Rolando Villazon bis zu Brigitte Hobmeiers Fahrrad als Buhlschaft. Bedrückend: Das Video, als Reinhardt Witwe Helene Thimig nach dem Krieg aus dem Exil nach Salzburg heimkehrt oder das Telegramm von Arturo Toscanini über seine Absage bei den Festspielen 1938.
  • Die alten Poster aus Salzburg, ob touristische oder kulturelle, ob Theaterzettel oder alte Programme: Ich hätte sie alle gerne daheim bei mir hängen.
  • Im Dialog mit den Festspielen treten u.a. das Jüdische Museum Wien, das Theatermuseum Wien und das Literaturarchiv Salzburg mit Prof. Mittermayer, der einst so freundlich war, mir das Hauptbuch von Stefan Zweig zu zeigen…
  • Eine Geschichte des Scheiterns: Die geplanten Festspielhaus-Monumentalbauten, ob in Hellbrunn, im Mirabellpark, am Kapuzinerberg oder am Mönchsberg – unglaubliche Architektenvorschläge, u.a. von Clemens Holzmeister himself, vom berühmten Fellner und Helmer Duo (siehe Oper in Lemberg oder Bratislava oder die Villen am Semmering) oder von den Nazis.
  • Das Museum als Bühne, wie die Stadt Salzburg auch stets Bühne war und ist.
felsenreitschule museum salzburg
Salzburger Landesausstellung: Die Felsenreitschule in klein

Der Jedermann und die Salzburger Festspiele: Wie alles begann

Damals vor 100 Jahren – beim allerersten „Jedermann“ am Salzburger Domplatz am 22. 8. 1920 – befand sich Österreich in einer quälenden Hungersnot, so kurz nach dem Krieg. Aber Max Reinhardt war dennoch davon überzeugt, dass Kunst und Kultur zu jeder Zeit für uns Menschen genau so wichtig sind wie ein Bissen Brot. Er will Oper und Schauspiel und von beidem das beste, was es 1920 gibt – er will das ultimative Ensemble, den besten „Jedermann“ jener Zeit  Alexander Moissi, Volksnähe und den Domplatz – trotz aller Nachkriegssorgen.
Die Jubiläumsfestspiele 2020 lassen den Gründungsgedanken von Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss aktueller denn je erscheinen: Die Kunst als Lebensmittel und Lebenssinn – in Zeiten von Corona.

Im Salzburg Museum: Das Wiener Theatermuseum hat einen Raum mitgestaltet

„Alles, alles spielt“. Max Reinhardt, Leopoldskron und das Welttheater

1920 standen 6 Aufführungen des Jedermann am Programm, 14.000 Gäste waren dabei. Ab1922 gab man auch Oper und Konzerte – seitdem das Dreigestirn und die drei Säulen der Festspiele. Noch im Juli hatten die Gastwirte über zu wenig Umsatz und Besucher geklagt (Was für eine Parallele zu unserem Corona Lockdown!), im August war kein Mauseloch mehr frei, wenn man den damaligen Berichten der lokalen Zeitungen glauben darf. Mit dem Segen des Erzbischofs hatte Max Reinhardt seinen „Jedermann“, den er schon erfolgreich in ganz Europa inszeniert hatte und zwar bereits damals an den ungewöhnlichsten Locations – nach Salzburg tatsächlich direkt auf den Domplatz gebracht: Mit kleinen Fischen gab sich der weltberühmte Regisseur und Theatermann nämlich niemals zufrieden – seine Feste, Empfänge und das Wandertheater in seinem üppig ausstaffierten Schloss Leopoldskron zeugen davon genau so wie seine Inszenierungen in Salzburg Stadt: „Alles, alles spielt“ in diesem Welttheater.

Domplatz.
Blick über die Jedermann Bühne 2015 am Domplatz (Foto: Salzburg Tourismus, G. Breitegger)

-Wiederaufnahme: Im August 1946 – die Amerikaner bestehen darauf

Ein sehr spannendes Kapitel in der Festspielgeschichte waren die ersten Salzburger Festspiele nach der Beendigung des Nazi Terrors. Ernst Lothar hatte sich, so wie Max Reinhardt, Thomas Mann, Franz Werfel und Alma Mahler, Joseph Roth und viele andere geflüchtete Autoren, deren Bücher bei den Bücherverbrennungen (auch in Salzburg) „dem Feuer übergeben“ worden waren, oft in letzter Minute, in die USA gerettet.

Die Schauspielerinnen Helene Thimig und Adrienne Gessner, die ihre jüdischen Ehemänner Reinhardt und Lothar begleiteten, konnten als Schauspielerinnen auf US-Bühnen in englischer Sprache überraschend schnell Fuß fassen und waren erfolgreich.

Reinhardt tat sich wegen der Sprache schwer, sein Kollege und Freund aus Josefstadt Zeiten Ernst Lothar war erfolgreicher: Er kehrte 1946 als US-Offizier, beauftragt mit der Wieder-Belebung der Kultur im Nachkriegsösterreich, offiziell als „Ami“ nach Österreich retour – seine erste Task: Die Salzburger Festspiele müssen wieder auferstehen.

Einen spannenden Bericht über Entnazifizierungsverfahren bei ehemaligen Kollegen und Freunden, Widerständen in der Politik und dem ewig gleichen Lied des Antisemitismus – geben seine extrem lesenswerte Biografie „Die Kunst des Überlebens“ als auch sein Roman Die Rückkehr“ richtig beklemmend letzterer.

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Die berühmte Thimig Haube als Glaube im Jedermann. Bei ihrer Rückkehr 1946 nach Österreich wurde sie ihr lt. Ernst Lothar gleich bei der Ankunft gestohlen.

Der Jedermann wird 100+1 Jahr´ – in Zeiten von Corona

Max Reinhardt wäre vielleicht enttäuscht gewesen von den minimierten Festspielen zum 100 Jahr Jubiläum „seiner Salzburger Festspiele“: Denn er liebte immer das Festliche, er habe es in Salzburg immer „feiertäglich geliebt“, so seine wehmütige Nachschau, als Leopoldskron für ihn verloren war, die Nazis hatten ihn noch im März 1938 enteignet. Und doch sind wir alle happy, dass es in letzter Minute doch noch zu klappte – auch für 2021.

Eingang zum Domplatz

Schon gewusst? G´schichtln um den Jedermann und Max Reinhardt

Ich habe schon Anfang des Jubiläumsjahres 2020 begonnen, rund um Max Reinhardt und die Entstehungsgeschichte der Salzburger Festspiele nachzulesen und zu recherchieren. Dabei bin ich wiedermal vom Hundertsten ins Tausendste gelangt und habe dabei viele interessante Zusammenhänge entdeckt. Viel mehr, als ich hier erzählen kann: Die Geschichte der Festspiele und rund um Max Reinhardt ist auch eine Geschichte von Exil und Naziterror, kulturpolitischer Engstirnigkeit und politischem Kalkül, das Theater in der Josefstadt mischte immer schon mit, Ernst Lothar („Der Engel mit der Posaune“) mit seinen Erinnerungen als US-Offizier, der die Festspiele ab 1945 wieder beleben muss (und will), Schauspieler-Dynastien im Exil, österreichischen Publikumslieblingen, die auf US Bühnen brillierten – und immer wieder die Stadt Salzburg, der Theatermann Reinhardt.

skizzenbuch jedermann
Das berühmte Reinhardt´sche Skizzenbuch zum Jedermann: Rot meint die Inszenierung in Salzburg.
Schon gewusst?

Übrigens: Für die Aufführung des Jedermann gibt es seit jeher keine Zweitbesetzung. 2018, als Tobias Moretti sich im Taxi zum Festspielhaus nach der glühendheißen Jedermann Vorstellung eine Lungenentzündung eingehandelt hatte, hatte man Glück, dass Philipp Hochmair so cool einsprang – das muss ihm mal ein anderer nachmachen – mit 30 Stunden Vorbereitungszeit. Nur einmal passierte etwas Ähnliches: Christiane Hörbiger sprang einige Male für Senta Berger als Buhlschaft ein, weil diese notoperiert werden musste.


Was muss man noch wissen über Max Reinhardt und den Jedermann?

  • Der original Schreibtisch von Max Reinhardt ist heimgekehrt: Der Salzburger Juwelier Franz Wagner kaufte ihn zurück und schenkte ihn zum Jubiläum dem Schloss Leopoldskron.
  • Schon Max Reinhardt hielt sich Flamingos am Weiher in Leopoldskron. Aber auch so manch anderes Getier gab er bei seiner Sekretärin Gusti Adler in Auftrag und ganz wichtig: „Vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen“, so eine Anweisung an Frl. Adler.
  • Das berühmte Frl. Gusti Adler war eine Jugendfreundin von Reinhardts zweiter Gattin Helene Thimig aus dem berühmten Wiener Thimig´schen Theaterclan: Außerdem war sie eine Nichte Viktor Adlers und in jungen Jahren im Schüler-Kreis rund um den Maler und Klimt-Mitstreiter Josef Maria Auchenthaller (dessen Frau wiederum das erste Hotel in Grado gründete), von dem sie auch gemalt wurde.
  • Wandertheater, Stationentheater, Theater mit allen Sinnen etc: Reinhardt hat das alles schon vor 100 Jahren gemacht. Legendär seine „Generalproben“ im Schloss Leopoldskron, die von Anfang bis Ende minutiös durchgeplant waren, pompös und perfektionistisch und die Gäste in das Spiel miteinbezogen. Immer war die Location wichtig, die Natur und die Zuschauer.
Max Reinhardt meinte, was er sagte.
  • Gusti Adler unterstützte zeitweise in Berlin den Regisseur Gustaf Gründgens, später auch Ernst Lothar – seines Zeichens Reinhardts Direktor Nachfolger in der Josefstadt, sein Freund und: als US-Beauftragter wurde von den amerikanischen Besatzern gleich nach Kriegsende nach Wien und Salzburg geschickt, um das Kulturleben wieder zu schüren. Gusti Adler blieb übrigens in den USA – als Angestellte bei den Warner Brothers.
  • Max Reinhardt war zu seiner Zeit nicht nur Regisseur – er besaß meist die Theater auch, die er bespielte. Zeitweise bis zu 10 Stück, unglaublich. Alle „alten“ Schauspieler, die wir Retro-TV Freunde oder Theaterliebhaber kennen, wurden von Reinhardt entdeckt.
  • Welche Theater einst zu Reinhardts zählten? Alle, die man zwischen Wien und Berlin halt so kennt: Etwa das Deutsche Theater, die Berliner Volksbühne, die Berline Kammerspiele, den Circus Renz und heutigen Friedrichstadtpalast, das Große Schauspielhaus und die Komödie am Kurfürstendamm, das Theater in der Josefstadt – ein Imperium an Häusern und Schauspielern, mit denen er bis in die späten 1920er Jahre erfolgreich in der ganzen Welt auf Tournee ging.
  • Der berühmte Almkanal aus dem Mittelalter (den ich bereits unterirdisch begangen, als auch oberirdisch erschwommen habe), der kühlt das Große Festspielhaus!
  • Der Blick von der Haupttreppe des Schlosses Leopoldskron über Park und Weiher zum Untersberg emotionalisiert. Nicht nur bei Kennern von „Sound of Music“ und der Trapp-Family-Story sondern auch als Glasbild auf Reinhardts Grab in New York. Den Spender kennt man angeblich nicht.
  • Max Reinhardt und seine Frau Helene Thimig waren große Hundefreunde, irgendein Vierbeiner war in Salzburg immer in ihrer Nähe. Und im US-Exil natürlich auch. So wie bei Stefan Zweig.
  • Reinhardts Gattin, die Schauspielerin Helene Thimig (lt. Reinhardt Biografin Sibylle Zehle übrigens der lebendige Beweis dafür, dass nicht allen Frauen Dirndl steht)  führt die Hitliste der meisten Vorstellungen an: Sie war in 30 Jahren in 258 Vorstellungen der Salzburger Festspiele zugange.
  • Jeder kennt das Reinhardt Seminar in Wien. Aber Reinhardt hatte auch Schauspielschulen in Berlin und im Exil in den USA.
Schloss Leopoldskron Web (91 Von 147)
Reinhardts Bibliothek in Schloss Leopoldskron
Gästeliste Lepoldskron
Party in Schloss Leopoldskron: Gästeliste bei der „Probe“ zum Eingebildeten Kranken von Molière vorort

Hotel-Tipp beim Mirabellpark: Das Sheraton Grand Salzburg

Während meiner Recherche in Salzburg 2020 wohnte ich im Sheraton Grand Salzburg am Mirabellpark – angeschlossen an den Congress Salzburg. Es ist ein Luxushotel mit direktem Ausgang in den Park und mit Ausblick auf den Mönchsberg. Die Terrasse unter den dicken Plantanen ist beim Frühstück an heißen Sommerfestival Tagen ein wunderbar kühler Traum – das italienische Restaurant auf der anderen Seite wiederum macht für uns die Fensterfronten auf, sodass wir uns wie auf einer italienischen Piazza fühlen. Dazu Antipasti und ein Pinot Grigio, der Hund liegt wohlig draußen auf der warmen Straße, wir genießen Italo-Ambiente.

Das internationale Service- und Rezeptionsteam war genau so, wie ich mir das in einem internationalen Luxushotel vorstelle: Höflich, freundlich, kompetent und vor allem: Zuvorkommend. Eine Hotel-Tugend, die ich sonst oft beim Reisen vermisse. Noch dazu waren wir mit Hund unterwegs, auch das machte der Freundlichkeit keinen Abbruch, im Gegenteil. Wir bewohnten ein Deluxe Zimmer in der 6. Etage mit Hunde-Erlaubnis und dem höchsten Hundepolster, den wir je in einem Hotel bekommen haben – von den Suiten im Sheraton Grand Hotel liest man von (Luxus)Bloggern aber auch viel Schönes. Danke für die Einladung und den schönen Abend im „Taste.It“.

Was man über Salzburg sonst noch wissen wollen könnte…

Meine persönlichen Tipps für Salzburg
Salzburger Festspiele Jedermann 2018 Web (11 Von 142)
Am Almkanal

Recherchetipps und Leseliste rund um den Jedermann einst und jetzt

  • „Ich habe es immer feiertäglich geliebt“, hrsg. vom Salzburger Festspielfonds, Residenz Verlag
  • „100 Jahre Salzburger Festspiele“, Malte Hemmerich und Helga Rabl-Stadler
  • „Das große Welttheater“, Philipp Blom, Zsolnay
  • Katalog zur Landesausstellung 2020, Residenz Verlag
  • „Die Kunst des Überlebens“, Ernst Lothar, Hanser Verlag
  • „Die Rückkehr“, Ernst Lothar, Hanser Verlag
  • „Und vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen“, Lebenserinnerungen von Gusti Adler
  • „Wie Max Reinhardt lebte“, Helene Thimig-Reinhardt, Fischer
  • „Der Liebhaber“. Erinnerungen seines Sohns Gottfried Reinhardt, Droemer Knaur
  • „Max Reinhardt, ein Leben als Festspiel“, Sibylle Zehle, Brandstätter
  • UPDATE 2021: „Jedermanns Juden“ – der Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Jüdischen Museum Wien

HINWEIS: Ich wurde von Salzburg Tourismus eingeladen, im Sommer 2020 die Landesausstellung „Großes Welttheater“ im Salzburg Museum zu besuchen und zwei Tage in Salzburg vorort zu recherchieren. Dazu wurde mir auch eine Nächtigung im Grand Sheraton Hotel zur Verfügung gestellt. Die obigen Ausführungen und Rückschlüsse sind meine eigenen. Sollten mir bei der Recherche Fehler unterlaufen sein, bitte ich um Info per Email. Der Artikel wurde im Sommer 2021 upgedated.

3 comments

Elisabeth 17. August 2020 - 13:28

Danke, sehr interessant, insebonders das geschichtliche.
Eine schreckliche Zeit für so viele und betraf auch viele Schauspieler .
Ich lebe in Adelaide Australien bin aber 1949 in Salzburg geboren.
Den Jedermann hab ich einmal mit Maximilian Schell
und Senta Berger gesehen,sie waren fantastisch .

Reply
Angelika Mandler-Saul 17. August 2020 - 16:04

liebe elisabeth – ich freu mich so über Ihren Kommentar – aus ADELAIDE, dort war ich allein mit dem Radl unterwegs, bevor ich den Reiseblog gestartet habe… 2013! Schell/Berger hat viele Fans, hab ich schon oft gelesen! herzlichen gruß, angelika

Reply
andreas 4. August 2020 - 18:16

Vielleicht wird es ja in Bälde was mit dem Ph. Hochmair als Jedermann bei den Festspielen.
Die Pölster mit den Hundemotiven in der lobby des Sheraton sind ja so schön anzuschauen.

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