„Acht Berge“: Der Film zum Buch

Ab 12. Jänner 2023 in den deutschen Kinos

by Angelika Mandler-Saul

„Acht Berge“: Männer, Bärte, Berge.

filmplakat acht berge
Das Filmplakat zu „Acht Berge“

Männer und Berge: Der Film „Acht Berge“ – Wer mich näher kennt, weiß, dass das Thema „Männerfreundschaften“ nicht gerade mein gesteigertes Interesse hervorruft und kein Sujet ist, von dem ich mir großartige persönliche Erkenntnisse erwarte.

Natur, Reisen und Unterwegssein dann schon viel eher.

Wenn es nun auch noch um die bildgewaltige Verfilmung eines Buches geht, dann verlasse sogar ich manchmal meine kinofreie Gegend am Land und zieh mir einen gleich zweieinhalbstündigen Film rein.

So geschehen beim Film „Acht Berge“ des belgischen Regisseurs und Drehbuchautors Felix van Groeningen und seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Charlotte Vandermeersch, der in Österreich gleich nach den Weihnachtsfeiertagen 2022 startete und in Deutschland im Neuen Jahr 2023 anläuft.

Unterwegs Sein oder Bleiben, rsoll man rastlos die Welt erkunden oder auf dem einen Platz in der Heimat bleiben? Wer wird der Weisere sein? Diese Frage wird anhand der besagten Männerfreundschaft abgehandelt.

Das Buch, der Roman „Acht Berge“ von Paolo Cognetti

Der Bestseller des italienischen Autors aus dem Jahre 2018 mit autobiografischen Zügen passt wunderbar zu einem ausgedehnten Hüttenurlaub in den Bergen. Cognetti (geb. 1978) ist studierter Mathematiker und Dokumentarfilmer, dann zog es ihn zum Schreiben. Für „Acht Berge“ erhielt er den Premio Strega, den wichtigsten italienischen Literaturpreis.

Meine belesenste Freundin hat das Buch gleich nach dessen Erscheinen gelesen und es jüngst in den höchsten Tönen gelobt -und auf ihr Urteil kann ich mich stets verlassen. Der Film scheint mit deutlich weniger Worten, sprich Dialogen auszukommen als das Buch, das – laut meiner persönlichen Bücherexpertin – eine schöne, ruhige und dennoch gleichzeitig mitreißendes Sprache pflegt. Der Film lässt wohl den Bildern den Vortritt. Erst gegen Ende finden die Protagonisten mehr Worte.

protagonisten im film acht berge
Männer, Bärte, Lagerfeuer, Karohemden: Männerfreundschaft bei Cognetti

Die Frage: Gehen oder Bleiben?

Der Erzähler Pietro kommt (im Film) aus Turin und lernt als Kind seinen späteren Lebensfreund Bruno 1984 als Viehhüter in dem einsamen Bergdorf (Grana) im Aostatal kennen, beim Einfangen einer entlaufenen Kuh. Bruno ist das letzte Kind im Ort und wird ihn Zeit seines Lebens niemals verlassen, während Pietro die Welt bereist: Der Ort für die späteren, wiederkehrenden Begegnungen im Laufe einer Männerfreundschaft ist eine Bruchbude (Barma Drola) am Berg mit Atem beraubenden Ausblick in die Alpen.

Pietros Vater ist ein manischer Berggeher, der mit seinem Sohn und dessen Freund im Sommerurlaub Gipfel sammelt, bei einer „Gletschertour“ erleidet Pietro einen Schwächeanfall – daran wird er sich noch Jahrzehnte danach erinnern. Nach dem Tod des Vaters kehrt Pietro erstmals nach Jahrzehnten nach Grana zurück, sein Vater hat ihm unerwartet die Bruchbude vererbt. Bruno hat ihm das Versprechen gegeben, die Hütte zu renovieren – er war es, der während der jahrelangen, streitbedingten Abwesenheit von Pietro mit dessen Vater eine um die andere Bergtour absolviert hat – quasi an Sohnes statt. Alle sind sie vom Vater akribisch in einer Wanderkarte in verschiedenen Farben eingezeichnet. Jahrzehnte später wird Pietro sämtliche Touren alleine nachwandern, auf der Suche nach irgendetwas, das ihm seinen Vater im nachhinein näher bringt.

Bruno in acht berge
Bruno auf dem Dach der Hütte

Die Männer einigen sich beim ersten Wiedersehen nach Jahrzehnten wortkarg darauf, die Hütte zu renovieren – bruchstückweise kommt zu Tage, wie die beiden die letzten Jahre verbracht haben. Der eine hat das Dorf nie verlassen, dafür eine alte Käserei wieder belebt – der andere war rastlos in der Welt unterwegs.

Das Thema des fehlenden Vaters auf beiden Seiten zieht sich durch den Film. Eine Freundin Pietros aus Turin wird Brunos Partnerin und zieht mit ihm auf die Alm, um die Käserei zu betreiben. Viel gesprochen wird bei den Treffen der Männer, später mit Brunos Familie, nicht. Sprechen und damit Probleme Lösen ist offenbar die Sache der Frauen. Pietro findet in Nepal eine zweite Heimat.

Als Bruno ihn um seine Rückkehr aus Nepal ins winterliche Aostatal bittet, weil die Käserei schwer verschuldet ist und seine Frau mit Kind ihn verlassen hat, bringt Pietro eine Frage mit nach Grana in die verschneite Barma – angeblich von einem alten Nepali als Legende mit auf den Weg gegeben. Diese philosophische Frage ist schließlich namensgebend für den Film.

Wer ist der Weisere?

Jener, der alle acht Berge und alle Weltmeere erkundet hat oder derjenige, der inmitten dieser Welt immer am selben Platz am Sumeru / Meru geblieben ist? Der gigan­tische Gipfel Sumeru bildet der Legende nach den Mittel­punkt der Welt. Acht Berge und die Weltmeere um­schlie­ßen ihn. Welcher dieser Orte bringt die wahre Erfül­lung und echte Weisheit für einen Menschen?

Der Trailer zum Film „Acht Berge“

Der Teaser des Films – zur Verfügung gestellt vom DCM Verleih.

Film Trailer zu „Acht Berge“ im DCM Verleih

Meine persönliche Meinung zum Film

Der Film hält sich nicht mit vielen Worten auf – am öftesten kommt Pietro als Erzähler zu Wort, dann wird die Geschichte weitererzählt. Die Männerdialoge sind meist kurz, als wäre Reden eine Schwäche. Schöne Bilder und eine etwas archaisch anmutende Vater-Sohn Geschichte – „Acht Berge“ ist aufgrund seiner Berg-Bilder vom Monte Rosa Massiv in Italien sehr schön zum Anschauen.

„Es war schön, oder?“ – damit leitet Bruno gegen Ende einen der wenigen echten und aufklärenden Dialoge zwischen den Freunden ein, wieder ein Rückblick auf die Kindheit und das Vater-Problem. Seine Frau und seine Tochter hat er da schon längst aus seinem Leben ausgeblendet. „Deine Grenze verläuft nur in Deinem Kopf“, sagt Pietro dazu – und bringt endlich eine winzige Kritik an der Lebensweise des verehrten, aber eigenbrötlerischen Freundes an: Er solle in der Kindererziehung nicht die gleichen Fehler wie sein Vater machen. Das ist das Ende des (kurzen) Dialogs. Sobald es an´s Reden geht, ist Brunos innere Grenze geschlossen. Er verweist Pietro dessen eigener Hütte. Das ist aber nicht das Ende der Freundschaft. Soviel sei verraten: Gegen Ende des Films hat Bruno dann offenbar kuzfristg Sprechperlen intus.

„Du bist derjenige, der kommt und geht, während ich bleibe, genau wie immer.„­

Höchst angenehm empfand ich die Tatsache, dass es mal wieder ein (retro) Film ist, in dem die Protagonisten nicht pausenlos ihr Smartphone als Lösung für alles bei der Hand haben. Wer die Frauengeschichten in Elena Ferrantes Neapolitanischer Saga kennt, wird bei diesem Film ein bisschen an sie erinnert – halt von der Männer-Seite aus.

hütte renovierung acht berge
Gemeinsam wird die Hütte renoviert – ein Vermächtnis des übergroßen Vaters

Hochinteressant auch der Dialog zwischen Bergmensch Bruno und einem Turiner auf Almbesuch über die Romantisierung des Begriffs „Natur“. Es gäbe keine Natur, das sei ein Kunst-Begriff von Städtern, so Bruno – vielmehr gäbe es Berge, Seen, Gipfel, Flüsse, Wälder, Wiesen, Tiere, Regen, Schnee, Wind, Gletscher…

Und genau wegen dieser Bilder – und wegen des überraschend herzzerreißenden und starken Endes – ist der Film auch sehenswert. Spätestens dann kennt zumindest Pietro auch seine Antwort auf die Frage des Films.

Folk-Songs des Schweden Daniel Norgren verstärken noch die manchmal melodramatische Stimmung. Der Musiker lebt selbst völlig einsam im Wald auf einem (eigenen?) Berg, seine musikalischen Werke entstehen durch Inspiration beim Gehen und Wandern durch die schwedischen Wälder. Der Film erhielt beim Festival von Cannes den Jury Preis 2022.

acht berge: pietro am berg bei der geretteten föhre
Der Baum wurde umgepflanzt – wird er es überleben?

HINWEIS: Bezahlte Kooperation / Werbung. Die Fotos wurden vom Verleih zur Verfügung gestellt.

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