Seit ich das erste Mal im Rahmen der Festspiele Reichenau bei der Aufführung meines Schnitzler´schen Lieblings-Oeuvre „Das Weite Land“ anno 2004 im Südbahnhotel war, bin ich in das Haus und seine Geschichte verliebt.

Inhaltsverzeichnis
UPDATE: Das Südbahnhotel wird in neuem Glanz erstrahlen
Im November 2021 wurde bekannt, dass das Südbahnhotel mit Christian Zeller einen neuen Besitzer hat, der das Prachtstück als Grand Hotel bis 2025 wieder eröffnen will. Der Kultursommer Semmering wird dem Vernehmen nach 2022 nicht mehr hier stattfinden, sondern weicht ins nahe Panhans aus. Im Südbahnhotel selbst wird aber die Kultur auch wieder eine Rolle spielen: So werden 2023 die Festspiele Reichenau wieder hier herzurückkehren, ihnen diente das Südbahnhotel von 2000-2010 als externe Spielstätte.
Das Südbahnhotel – Palast, Portier, Plaisir
Das ist jetzt bald 20 Jahre her, dass ich hier „Das Weite Land“ der Festspiele Reichenau gesehen habe – und ich fahre immer noch gerne mal zwischendurch auf den Semmering, um um das Haus herumzustreichen und ein bissl Sommerfrische Feeling von einst erahnen zu können. Seit 1882 fuhr man nicht nur zur kandidlen Sommerfrische auf den Semmering und ins Südbahnhotel. Stefan Zweig fuhr auch mal zwischendurch für´s Weekend rauf, um dort Damenbesuch zu empfangen. Ob man im Südbahnhotel oder im nahen Panhans abstieg – das war schon damals Geschmackssache – winters wie sommers.


In den Tagebüchern und Briefe der KünstlerInnen der Wiener Moderne kommt der Semmering als Konstante jedenfalls immer wieder vor: Als Destination für Bergpartien, für geheime oder offizielle StellDichEins, zur Brautsuche, für längere Kuraufenthalte, als Sommer-Treffpunkt mit Wiener Freunden (so etwa die Altenberg-Kraus-Loos Partie) oder eben für längere Aufenthalte als Sommerfrische.
Wer es sich leisten konnte, ging in die Grand Hotels, die großbürgerlichen Familien hatten ihre eigenen Villen, andere kamen beim Bauern unter.
Auch Gustav Klimt schrieb nach der Rückkehr vom Semmering aus seinem Stammcafé in Wien, dem Tivoli, an Freundin Emilie Flöge, die im Feber 1912 am Semmering im Südbahnhotel weiter verweilte („Sonnig, 4 Grad. Neigung zum Warm Werden – glatte Fahrt gehabt, ab Wr. Neustadt zu dritt“).

Und die Bahnfahrt über den Semmering mit der Südbahn – damals ein Weltwunder, weil man dank Ghega erstmals einen solch hohen Pass überwinden konnte – war anfangs noch ein veritables Mirakel und ein wirkliches Erlebnis für die Reisenden. Genau so oft wie die anderen beliebten Sommerfrische Ziele in Österreich Bad Ischl, der Wolfgangsee oder das Ausseerland, firmieren Semmering und Raxgebiet als Inbegriffe für diese Art des Langzeit Urlaubs der besseren städtischen Gesellschaft von einst – und erlebt (unter anderen Voraussetzungen) endlich das von mir lang erwartete und permanent prognostizierte Revival, nicht zuletzt durch den geplanten Neubau des Kurhauses Semmering gleich um die Ecke vom Südbahnhotel. Sapperment, endlich, hoffentlich!


In der Zwischenzeit war ich natürlich schon öfters mal drin im Südbahnhotel, aus verschiedenen Anlässen. Gleich im Jahr danach (2005) bei der großartigen „Radetzkymarsch“ Inszenierung mit Michael Dangl als Trotta und André Pohl als Arzt-Freund, danach auch bei Bahrs „Das Konzert“ wieder mit Morzé plus Joseph Lorenz als Gustav Heink.
Wobei die damalige Aufführung von „Das Weite Land“ mit Petra Morzé als Genia und Josefstadt-Direktor Föttinger in den Hauptrollen schon wirklich mehr als perfekt in das Setting des großen Speiseaals und vor allem oben in den ersten Stock in den Waldorfsaal mit der Terrasse gepasst hat – spielt das Stück doch genau in einem solchen Grand Hotel – nur eben nicht am Semmering, sondern am „Völser Weiher“:-)…


Schnitzler soll sogar seinen Protagonisten, den Portier Rosenstock aus dem „Weiten Land“ nach dem echten damaligen, repurtierlichen Südbahnhotel Portier Rosenbaum, später Rostler, gestaltet haben. Der berichtete auch einst, dass große Teile dieses Stücks während Schnitzlers Aufenhalten im Südbahnhotel (immerhin mindestens 12 Mal) entstanden sein sollen und er mit Leichtigkeit allen Figuren ihre echten Pendants aus der damaligen Realität zuordnen könnte.
Das glaub ich ihm auf´s Wort.


Einen weiteren Einblick in das Südbahnhotel, wie es vor über 30 Jahren noch ausgesehen hat, erhaschen die, die sich die Brandauer Verfilmung von Zweigs „Brennendes Geheimnis“ aus 1988 reinziehen: Damals wurde hier vorort gedreht, denn auch Zweig ließ seine Story damals schon hier oben spielen und tat es damit Schnitzler gleich. Leicht erkennt man daran und an vielen Altenberg und Kraus-Briefen oder Wittgenstein Berichten der Zeit einmal mehr, welche Rolle der Semmering, die Rax und die Grandhotels als Spielplatz von scharlenzenden Künstlern und Konsorten damals gespielt haben mögen.

Wie sieht das Südbahnhotel am Semmering heute aus?

Was einst der hochlöbliche Portier Rosenbaum alias Rosenstock war, ist heute der nette und allwissende Chef-Haustechniker und Chef vor Ort Günter Krausner. Er war es auch, der uns im Rahmen der Sommerfrische Gespräche 2019 wiedermal durch´s Haus führte und Einblick in die alten Zimmer und Badezellen, Tapetentüren, Balkone und Gänge gewährt hat.
Und auch das verfallene Schwimmbad mit den großen Fenstern mit der schönen Aussicht in die Berge, das habe ich mittlerweilen vorort dank Günter Krausner erkundet. Das sieht man nämlich auch auf dem Werbeplakat aus den Dreißiger Jahren, das bei mir daheim im Stiegenhaus hängt. Gleich gegenüber das Plakat aus den früheren Anfangszeiten – denn das Südbahnhotel hat ziemlich viele Zu- und Umbauten erfahren im Laufe seiner Geschichte – bis es in einer Liga mit St. Moritz spielte. Die Poster bekommt man übrigens u.a. im schnuckeligen, kleinen Museum im Bahnhof Semmering, so es geöffnet hat. Über den Bahnhof und die Villen rundum bis zum Südbahnhotel habe ich einen extra Wander-Artikel geschrieben.
Rauchzimmer, Spielzimmer, Schachzimmer, Salons, Musikzimmer und Bibliotheken – wie im Kurhaus Semmering war auch hier Freizeit, Kur und gepflegter Müßiggang Programm nebst Kultur- und Kulinarik Genuss. Badezimmer, Verbindungstüren zwischen den Zimmern und verschiedene Kategorien sowie Balkone und ein Aufzug waren – je nach Ausbaustatus im Laufe der Jahrzehnte – ebenfalls vorhanden. Post-Stelle und Garagen folgten – siehe unten im Kapitel über die Geschichte des Hauses.
Diashow:















Heute werden noch der Große Speisesaal und der Waldorfsaal bespielt, der Grüne Salon und die Foyers rund um das Entrée genutzt – nicht zuletzt für den Kultur.Sommer.Semmering, auf dessen Verlautbarung zur Post-Corona-Kulturnutzung ich gerade jetzt besonders gespannt warte und über dessen Organisation es sich trefflich mutmaßen lässt. Wir werden (bald) sehen.



Belle Epoque Feeling im Südbahnhotel beim Kultur.Sommer.Semmering
In den letzten Jahren durfte das Südbahnhotel Kultur-Location für den Kultur.Sommer.Semmering sein – teils auch deswegen, weil das Kurhaus Semmering für eine Saison dafür ausgefallen war – wie hinlänglich berichtet. Ich war mehrmals dort – aber in schönster Erinnerung sind mir die Belle Epoque Diners, an denen ich teilnehmen durfte.
Diashow:








Voran gingen diesen Soupers jeweils Lesungen – einmal von Burgtheater Doyenne Elisabeth Orth (die sich mit Stefan Zweigs „24 Stunden aus dem Leben einer Frau“ zeitlich ein wenig verschätzt hatte und deren Lesung zum Marathon-Projekt geriet, einmal mit Senta Berger, die Alfred Polgars Betrachtungen über Mann und Frau deutlich kurzweiliger darbrachte.
Das lag aber auch an der Tatsache, dass sich Zweig selten kurz und prägnant auszudrücken pflegte – Polgar seine Betrachtungen da eher pointierter vorzubringen trachtete.


Am Anfang war die Südbahn – dann die Grand Hotels und Villen am Semmering
Einen Ausflug in die wilden Berge zu machen, das war im Wien des Biedermeier verpönt. Überlandpartien und Sonntagsausflüge unternahm man in die Wiener Vororte, das war Abenteuer genug. Auf Kur zu fahren, das war gerade noch im Rahmen dessen, was man sich abenteuertechnisch vorstellen konnte. Erst mit der Eisenbahn änderte sich diese Einstellung nachhaltig. Schon während der Baustelle gab es Touristen-Besichtigungen mit Pferdekutsche zu den Tunnels, der erste Zug überwand die Semmering Passhöhe zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag 1854, ein technisches Bauwunder in der bizarren Felswelt rundum.



Offene Aussichtswagen und Massenaufläufe sondergleichen waren die Folge. Drei Jahre später konnte man schon von Wien nach Triest mit der Bahn durchfahren – der Weg ans Meer war frei. Über die Südbahn muss ich unbedingt noch einen eigenen Artikel schreiben, auch über die einst so zahlreichen Bahnwärterhäuser entlang der Strecke…

Der Wolfsbergkogel mit der gleichnamigen Bahnstation in unmittelbarer Nähe des Kurhaus Semmering war wohl die Geburtsstätte des Ortes Semmering: Dort entstanden schnell Ausflugsgasthäuser („Jubelhalle“) und Touristenheime für weniger betuchte Tagesgäste. Heute sieht es dort ein wenig traurig aus beim Aussteigen – das wird sich aber ändern, sobald beim Kurhaus Semmering wieder eine Gästeschar einzieht.

Die Südbahngesellschaft roch jedoch das große Geld und investierte schnell in riesige Prestige-Bauprojekte, am Semmering mit dem Südbahnhotel wie auch in Toblach in Südtirol oder in Abbazia am Meer. Jene, die es sich leisten konnten, folgten mit dem Bau eigener Villen am Semmering – viele davon kann man heute noch sehen, wenn man weiß, wo man hinschauen soll. Das Panhans um die Ecke war in Konkurrenz zum Südbahnhotel für eine damals sportlichere und jüngere Clientèle entstanden – warum aber dann gerade Peter Altenberg dort gerne abstieg und sich den Aufenthalt von Karl Kraus und Konsorten finanzieren lässt, erschließt sich mir dabei nicht…



Das Südbahnhotel, wie es heute noch genau auf 1000 Metern Seehöhe dasteht, entstand in vielen Bau-Etappen. Der Ziegelteil ist der älteste Teil dabei, nicht jener mit den Türmchen – der folgte erst ab 1901 – 1903 – um Speisesaal und Waldorf Saal ergänzt. Auch der Waldhof hintaus, den man heute noch sehen kann und der einst beheizte Verbindungsgang dorthin sind heute noch sichtbar, wenn man wie ich – mit Hund um´s Haus streicht… Noch ein Trakt kam später hinzu, er beherbergte eine eigene Post-Stelle, der Schalter ist heute in Küb am Postamt zu sehen.


Zu der riesigen Anlage, über deren Weitläufigkeit man heute, wenn man alte Bilder oder Skizzen anschaut, nur staunen kann – gehörten u.a. ein Golfplatz, Skeleton- und Eislaufplatz, ein Café, ein Kino, eine Meierei und eine Wäscherei (heute per Wanderweg hintaus erreichbar). In den 1930er Jahren musste man sich mit dem Bau eines Hallenbads mit Flügeltüren zum Öffnen gegen das 1888 auf der Pass-Höhe vom einstigen Koch des Südbahnhotels schnell hochgezogene Panhans behaupten, das mit einem Alpenbad klotzte – das Südbahnhotel zog mit seinem eigenen Bad mit großen Fensterfronten nach. Auch zu jener Zeit entstand eine Garage mit beheizten Boxen – die Zeit der Kutschen-Transfer vom Bahnhof war langsam vorbei. Auch in der Wintersaison klotzte das Hotel – mit Pisten und eigener Skisprungschanze gar.



Nach 1945 öffnete das Südbahnhotel noch einmal und blieb bis in die 1960er Jahre als Hotel in Betrieb – doch an die großen Erfolge mit der früher so betuchten Clientèle konnte man nicht mehr anschließen. Seit den 1970er Jahren ist ein Teil in eine Eigentums Wohnungsanlage gewandelt, ebenso der Waldhof dahinter.

Im Panhans habe ich übrigens schon mehrere Male genächtigt, im Südbahnhotel wird mir das nie gelingen. Denn ein Teil ist mit fixen Wohnungen verbaut und der restliche Raum würde sich heutzutage niemals mehr als Hotel rechnen – glaube ich zu wissen. Sollte das Panhans wieder eröffnen – der Termin wird seit Jahr und Tag hinausgeschoben – gibt es einen eigenen Bericht dazu. Irgendwann.
Wer mehr zur Südbahn und den Grand Hotels dazu lesen will, als hier am Blog Platz hat, sollte sich in das Standardwerk von Désirée Vasko-Juhasz über „Die Südbahn, ihre Kurorte und Hotels“ vertiefen – ich habe bereits Stunden und Tage damit zugebracht. Quel Plaisir!
Noch mehr Fotos und viel Geschichte(n) rund um die Südbahn und ihre Hotels und Besucher gibts auch auf meinen Berichten über das Kurhaus Semmering oder das Villenviertel am Semmering nachzulesen.

Lesetipp: Das Hotel Miramar in Opatija – K.u.K. Flair in Abbazia
Lesetipp: Als Grado noch bei Österreich war – Schlag nach bei Michael Dangl
Meine LINKS rund um Sommerfrische, Kultur und Palasthotels
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- Die Villen vom Semmering – eine Wanderung der Blicke


LITERATUR und Recherche rund um das Südbahnhotel
- Kurier online
- Yvonne Oswald
- NÖN
- Die Presse online
- Das Standardwerk: Die Südbahn
- Einmal Wien – Triest, das Südbahnlesebuch
- Joseph Roth: „Stationsmeister Fallmerayer“
- Stefan Zweig: „Brennendes Geheimnis“
- Arthur Schnitzler: „Das weite Land“, „Der Weg ins Freie“
- Südbahnmuseum Mürzzuschlag
HINWEIS: Der Artikel wurde erstmals im Mai 2020 publiziert und wurde seitdem mehrmals aktualisiert.
4 comments
Liebe Angelika Mandler-Saul!
Soeben habe ich einen der alten „Wilczek“-Briefe gelesen, die mir das Schicksal in die Hände gespielt hat. Graf Ferdinand Wilczek war im Jänner 1910 im Hotel Südbahn zur Kur, wie ein Brief von seiner Mama an ihn belegt. Als ich schauen wollte, ob das Hotel heute noch existiert, führte mich das internet zu Ihnen.
Ganz herzliche Grüße,
Margret Loicht
So ein netter Kommentar, danke! Das ist aber nicht der mit dem palais in der herrengasse, oder?
Lg angelika
Ich glaube, das heißt Waldhofsaal, nicht Waldorfsaal.
Stimmt volle. Danke!