Das Souterraintheater im Cafe Prückel ist wieder da: Das Stella Theater würdigt mit seiner Namensgebung ihre Gründerin Stella Kadmon. Ein Bericht aus dem Kellertheater am Stubenring.

Inhaltsverzeichnis
Stella – Theater im Cafe Prückel: Wiener Kulturlegende


Seit 26. September 2024 hat das Kellertheater im Souterrain des Cafe Prückel wieder seine Pforten geöffnet. Joséphine Striebeck und Christoph Schobesberger als Intendanten-Team wollen die alten Traditionen der geschichtsträchtigen Bühne und den Bezug zur jüdischen Kultur wahren und zudem all jenen, an erster Adresse am Wiener Stubenring eine Bühne bieten, die eine wollen oder brauchen.
In den ersten Monaten des neuen Stella-Theaters gab es bereits eine Vielzahl verschiedenster Produktionen und KünstlerInnen, die hier eine temporäre Bleibe fanden. Der Name „Stella“ würdigt dabei ausdrücklich die Gründerin Stella Kadmon.
Seinen Ursprung hatte das heutige Stella Theater im Jahr 1931. Damals gründete die Schauspielerin Stella Kadmon hier die Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“. Das Theater entwickelte sich rasch zum beliebten Treffpunkt für Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle – bis zur tragischen Zäsur durch den Nationalsozialismus.

Stella Kadmon, Gründerin und Prinzipalin: „Eine Kleinkunstbühne, erfreulich und hoffnungsvoll“

am Landestheater Linz, aus:
Der Humorist, 8. 2. 1923, anno.ac.at
Stella Kadmon wurde von ihrer Mutter nach der heißverehrten Burg-Schauspielerin Stella Hohenfels benannt. Geboren 1902 in Wien, wurde sie zur Konzertpianistin ausgebildet. Madame d´Ora hat sie 1927 sehr sexy abgelichtet, sie debütierte in Linz am Landestheater, Fritz Grünbaum brachte sie zum Kabarett, sie ging nach Deutschland und fand etwas, das sie mit heim nach Wien ins Prückel nahm: Anspruchsvolles literarisch-politisches Kabarett „voll Satyrik“, wie sie in einem Radio-Interview 1979 sagte.
Zurück in Wien wurde sie zur Pionierin in Sachen Kleinkunst in Wien, startete 1929 das Lokal „Der Liebe Augustin“ im Keller des Prückel, das sie ab 1931 mit dem genialen Peter Hammerschlag (gest. 1942, Auschwitz) und Alex Szekely plus 90 KünstlerInnen bespielte.
Der Anfang war schwierig, erzählt sie im Interview: Die Miete im Prückel betrug 30 Kaffees, die getrunken werden mussten, davon galten Miete und LIicht als beglichen – im Sommer wich man auf die Hohe Warte aus.

Allerdings, so erzählt sie weiter, mussten Kabaretts damals inserieren, sonst gab es keine Berichterstattung in der Zeitung. So ging sie mit schwarzer Maske „Wirbel Machen“ und Zettel verteilen an der Sirk Ecke, zum Publikum verhalf ihr dann aber Hans Nüchtern (1896-1962), Schriftsteller, Regisseur, später Professor am Reinhardt-Seminar und damals Leiter der RAVAG (während des Kriegs für die TOBIS Film tätig).
In „Der Abend“ berichtet man von den „zwölf jungen Leuten„, die „als Gangster maskiert“ Werbung machen für das Theater und den „muffigen Balast“ das Kabaretts abgeworfen haben. Stella Kadmon sei eine „bühnensichere Diseuse, graziös und frech“.
Am 9. 3. 1938 fand die letzte Voerstellung im lieben Augustin statt, lt. Meldezettel im Wien-Archiv wandert sie Ende Juli 1938 aus, „ledig, konfessionslos, zuletzt in der Blumauergasse in Wien 2“ gemeldet.

Sie emigriert (nach einer gescheiterten Schein-Ehe in Jugoslawien in letzer Minute) nach Palästina, lernt hebräisch und gründet das „Cabaret Papillon“, aber die deutschsprachigen ExilantInnen als ZuschauerInnen scheitern an dieser Bühnensprache.
Am Dachgarten ihrer privaten Wohnung bringt sie deshalb deutschsprachige Kabarettprogramme heraus, aber Vorstellung dieser offiziellen „Leseabende in Schweizer Sprache“ war nur bei Vollmond – wegen der Verdunkelungspflicht. Zwei Jahre nach Kriegsende kehrt sie heim.
Das Stella-Theater nach Kriegsende
1947 war sie im April zunächst im Hotel Wilhelmshof in Wien 2 gemeldet, danach zieht sie in die Landstraßer Hauptstraße 114 und übernimmt den „lieben Augustin“ wieder, der durch Fritz Eckhardt und Carl Merz wiedererweckt worden war.
Sie will an die Tradition der 1930er Jahre anknüpfen und wieder literarische, politisch-aktuelle Kleinkunst bringen. Der Publikumsgeschmack allerdings hat sich geändert. 1948 wird das Theater zu einer Schauspielbühne unter „Theater der Courage“, sie bringt viele österreichische Erst- und Uraufführungen zeitkritischer Stücke, später übersiedelt sie in den Seitenstettenhof. Eine ihrer engsten MitarbeiterInnen ist die spätere Direktorin des Wiener Volkstheaters (1988-2005) Emmy Werner, an die sie 1981 die Leitung der Bühne abgibt.
„Das Publikum ist heute literarisch zu ungebildet“ sagt Kamdon 1979 im Interview. Na, wie unzufrieden wäre sie erst heute – 2025 – darob mit uns.

Das Programm im neuen Stella – Theater im Prückel
2025 brilliert Inge Maux (ausgezeichnet im März 2025 mit dem Großen Diagonale-Schauspielpreis für Verdienste um die österreichische Filmkultur) vor ausverkauften Reihen, sie stellt auch eine Reihe ihrer Bilder für die Wände des umsichtig renovierten Stella-Theaters zur Verfügung. Zuvor hingen hier Bockelmann-Bilder, erzählt Christoph Schobesberger („Ringstraßenpalais“, „38-Auch das war Wien“) – selbst einst u.a. Reinhardt -Seminarist bei Susi Nicoletti und nach seinen künstlerischen Jahren in Deutschland nun nicht nur Stella-Intendant, sondern auch in der Komödie am Kai auf der Bühne zu sehen.

Das Programm ist wirklich bunt im neuen Stella-Theater: Regelmäßige Lektüre der Website lohnt sich, man könnte sonst das eine oder andere Schmankerl versäumen. Und wo genau ist das Stella nun? Prückel-Geher wissen: Hinab über die schöne Treppe ins Untergeschoß und – halt, nein nicht links zur Toilette sondern rechts abbiegen: Gleich hinter der alten Kaffeehauskasse geht´s hinein in das Kellertheater und damit in die ungeahnten Unterwelten des Prückel.

Die Bestuhlung im Theatersaal ist in feiner Varieté-Weise gehalten, im vorderen Teil auf den kleinen Tischchen gibts Abstellfläche: Für die Getränke, die man dankenswerter Weise hier mitnehmen darf und die dem Ambiente gleich einen Hauch mehr gemütliches Kabarett Retro-Feeling verleihen. Das seidige Prückel-Grün tut dazu das Übrige, ein wahres Wohlfühltheater!

- Tickets und Website: www.stella-theater.at
- Programm
- Adresse: Theater im Café Prückel OG, Stubenring 24, 1010 Wien

„Der Duft von Wirklichkeit“: Österreichische Erstaufführung im Stella-Theater

„Sie kennen mich nicht, aber Sie haben schon viel von mir gehört!“ So stellte sich Werner Richard Heymann nach seiner Rückkehr aus dem Exil hierzulande gerne vor. Und wirklich. Seine Filmmusik aus den 1930ern kannte jedes Kind, sang und pfiff man damals von allen Dächern. Eigentlich sogar bis heute… Bis 1933 war Heymann gar der am meisten gespielte Komponist Deutschlands.
In der Musikalischen Komödie „Der Duft von Wirklichkeit“ von Werner Bauer nach der Musik von Werner Richard Heymann (1896-1961) geht es um seine Tonfilmschlager, die UFA-Leinwandstars jener Zeit und die politische Situation im Jahr 1933 in Berlin. Die Uraufführung des Werks fand 2023 im Kleinen Theater in Bad Godesberg (südlich von Bonn) statt – das Besondere daran: Genau hier hatte UFA-Star Lilian Harvey 1967 (!) ihren vorletzten Bühnenauftritt – 1924 hatte ihre Karriere begonnen, der Durchbruch kam 1930 mit „Liebeswalzer„.
Sie avancierte zum „süßesten Mädel der Welt„, eine zierlich und zerbrechlich wirkende Schauspielerin, die sich stets alles abverlangte bei der Arbeit und mit Willy Fritsch ein vermeintliches Traumpaar bildete – zum Leidwesen der Fans aber nur auf der Leinwand. LeserInnen ihrer Biografie wissen, dass sie damit gut getan hat…
Aber zurück ins funkelnagelneue, einladende Souterrain Theater unter dem Cafe Prückel. Bei der österreichischen Uraufführung unter der Regie von Isabella Gregor (2013-2015 Intendantin meiner geliebten Raimundspiele Gutenstein) kommen wir in den Genuss einiger Heymann-Schlager, für meinen Geschmack aber viel zu wenige…

Parallel zum Geschehen auf der Bühne flimmert im Hintergrund ein UFA-Probeaufnahmen-Film, aus dem die Leinwandstars auf die Bühne springen und sich in der harschen Realität von 1933 in Berlin wiederfinden.
Musikstudent Fritz sollte dem berühmten Komponisten zur Hand gehen, aber von Heymann keine Spur: Die Nazis haben bereits begonnen, die UFA zu vereinnahmen und wollen aus dem romantischen Musik-Schinken einen Propagandafilm machen. Ein Vertreter der Reichskulturkammer à la Goebbels tritt auf: Die Hauptdarstellerin Claudine soll ihm – gleich vielen anderen UFA-Nachwuchssternchen – zu Willen sein, wenn sie Schauspielerin bleiben will.
Alleskönnerin Nini Stadlmann als Claudine tanzt, singt, steppt gekonnt – im Stella Theater ist alles so unmittelbar, persönlich und nah, dass man kaum zu atmen wagt, um die SchauspielerInnen nicht zu stören!

Martin Schranz gibt den etwas unbedarften Studenten, der alles immer nicht so wirklich versteht und sonntags lieber nur ins Kino geht, als selbst aktiv zu werden. Dazu gesellen sich Victoria Sedlacek und Sebastian Brummer (mit schrägem französisch-ungarischem Dialekt Mischmasch) quasi als Buffo-Paar, das ebenfalls tanzt und singt als gäb´s kein Morgen.
Und eigentlich gibt es für die ProtagonistInnen auch keins: Weder auf der Leinwand, noch auf der Bühne, noch im Berlin 1933.
Die zweite Eigenproduktion seit Eröffnung des Stella im Herbst 2024 überzeugt mit seinem tollen Ensemble, sängerisch allesamt top – kein Wunder bei der geballten Musical-, Operetten- und Opern-Erfahrung. Entzückend die Step-Einlage, da könnte Hans Albers mit seinem „Hoppla, jetzt komm ich!“ direkt einpacken.





„Mir ist so, ich weiß nicht wie“: Die Tonfilmschlager des Werner Richard Heymann
Lilian Harvey, Willy Fritsch, Heinz Rühmann und Hans Albers: Sie waren einige der ultimativen Kinostars der Vorkriegszeit – gerade als der Stummfilm endlich ad acta gelegt worden war. Ende der 1920er mokierte man sich noch ein bisschen theatralisch, dass nur der Stummfilm echte Kunst sei, aber spätestens mit den beliebten Leinwandstars, die jetzt auch singen durften – hatte dieses Gejammer ein Ende. Obwohl Werner Richard Heymann auch schon für die bekanntesten deutschsprachigen Stummfilmklassiker (etwa für Filme mit Stars wie Liane Haid oder Henny Porten) die Musik geschrieben hatte – für uns sind seine Tonfilmschlager immer noch Ohrwürmer.


Heymann spielte u.a. auch in Max Reinhardts Kabarett „Schall und Rauch“ in Berlin, übernahm sogar die Leitung, wurde später Kinokapellmeister fürs Stummfilmkino, bis es hieß: Ton, ab! Schlager wie „Irgendwo auf der Wlt, gibts ein kleines bisschen Glück“ (Comedian Harmonists), „Ein Freund, ein guter Freund“, „Wenn ich Sonntags in mein Kino geh“, „Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“, „Das gibts nur einmal, das kommt nie wieder“, „Gnädige Frau, komm und spiel mit mir“ (aus: „Quick“ mit Hans Albers), waren Gassenhauer, die ich persönlich ebenfalls seit meiner Kindheit kenne. O tempora!

Ein nur winziger Auszug aus dem gigantischen musikalischen Werk Heymanns, das von Operette bis Schlager, von Chanson bis Filmmusik und Kabarettmusik reicht. Er war der geniale Kompositeur, die Stars der Zeit seine Protagonisten. Willy Fritsch, Heinz Rühmann und Hans Albers waren die Zugpferde, die Kinos waren voll.
Heymann floh trotz Bleibeangebot der neuen Machthaber im April 1933 nach Paris und schließlich nach Hollywood, wo er als Filmkomponist mehrere Oscar-Nominierungen erhielt. Nach dem Krieg arbeitete er wieder in Deutschland, wurde mehrmals für den Oscar nominiert und komponierte u.a. etwa die Filmmusik von „Ninotschka“.
Hinweis: Mir wurde eine Karte für die Vorstellung von „Ein Duft von Wirklichkeit“ zur Verfügung gestellt.
Quellen:
- Wienbibliothek
- Musiklexikon.ac.at
- dasrotewien.at
- JMW
- Österreichische Mediathek: https://www.mediathek.at/portalsuche?searchwordglobal=stella+kadmon
- Interview mit Stella Kadmon. Von Tag zu Tag, 1979 Radio Österreich 1: https://www.mediathek.at/atom/0E64D5F1-316-00046-0005B1F4-0E6443FC
- geschichtewiki
- derstandard.at
- „Das süßeste Mädel de Welt – Die Lilian Harvey Story“, Hans Borgelt im Heyne Verlag, 1974
1 comment
Das nächste Mal komm ich mit und freu mich drauf.